Das Städtchen Marano Lagunare liegt in der Lagune von Grado, ziemlich abseits von allen anderen Orten erreicht man es über eine lange Stichstraße, von der es beiderseits keine weiteren Ziele anzufahren gäbe. Dort ist sozusagen Land’s End.
Wir haben den Ort letztes Jahr für uns entdeckt, auch weil wir eine phantastische Unterkunft auf AirBnB gefunden hatten.
Das sind wir nun wieder hin gefahren, um dem neuerlich drohenden Corona-Wahnsinn für ein paar letzte sommerliche Tage zu entfliehen. Wer weiß, was den Fanatikern noch alles einfällt.
Und wir hatten Glück: die Temperaturen waren mit fast 35 Grad geradezu sommerlich hoch, strahlendes Wetter, keine Menschenmassen – aber die gibt es in Maran, wie der Ort auf Friulanisch heißt, sowieso nur in wenigen, plötzlichen Schüben, wenn ein Ausflugsboot aus Bibione oder einem der anderen nahen Adriabadeorte seine Passagiere ausspuckt; zum Glück werden sie auch recht bald wieder vom Schiff oder von Bussen eingesackt und dahin zurück transportiert, wo sie herkommen und sich vermutlich sowieso wohler fühlen. Die herabfallende Stille danach ist jedes Mal wieder ein Beweis, wie gut es ist, dass Orte wie Bibione, Lignano, ja selbst Grado existieren: wer dort ist, ist nicht hier. Das weiß ich jedes Mal wieder außerordentlich zu schätzen.
Das Argument ließe sich ausweiten: aus demselben Grund braucht man die türkische Mittelmeerküste, Malle und die Costa del Sol… Nur Kreuzfahrtschiffe haben den Nachteil, dass sie die zahllosen mitfahrenden Ignoranten auch an Orten ausspeien, wo man sie gar nicht gebrauchen kann. Diese Art von Seuche einzudämmen wäre lohnender als die zweifelhaften Versuche, aus Corona eine ernsthafte Bedrohung zu machen. Aber bitte.
Die Schiffchen, die in Marano Lagunare anlegen und Touristen ausspeien, sind so klein, dass man sie wirklich nur bemerkt, weil auch die Altstadt nicht wirklich groß ist. Es gibt die großzügige Piazza Provveditori mit der Torre Millenaria, einem seit über 1.000 Jahre hier stehenden Turm, und einem lockeren Ensemble venezianischer Bauten aus dem 16. und 17. Jahrhundert – hervorstechend der Palazzo dei Provveditori, also einstmals der Sitz der venezianischen Statthalter, die hier von der Eroberung der Festung 1543 bis zum Untergang der Serenissima residierten.
Von hier landwärts führt die Via Sinodo, die ebenfalls gesäumt ist von einigen gut restaurierten, unterschiedlich alten Bauten. ES hat Flair, ist relativ ruhig aber belebt genug, um sich jederzeit auf einen Drink niederzulassen, was vor allem auch die Einheimischen mindestens zwei Mal am Tag tun.
Wenn auch die möglichen Sehenswürdigkeiten sich sehr in Grenzen halten, verströmt das Städtchen das Ambiente eines Ortes, an dem man ziel- und zwecklos flanieren und eben gemütlich einkehren kann. Man schlürft Sprizz oder Prosecco und kommt in Plaudern, wartet auf die Wiederkehr des Appetits und wägt ab, wo man ihn stillen möchte.
Überhaupt ist die Gastronomie der eigentliche Anziehungspunkt, denn Marano Lagunare ist das, was man plakativ ein Fischerdorf nennen könnte. Ist es aber nicht: die Stadt mit nicht mal 2.000 Einwohnern ist ein Zentrum ernsthafter Fischerei, hier werden große Mengen des Fangs aus der Lagune und der oberen italienischen Adria umgeschlagen. Landwärts stehen die Kühlhallen, vorne im Hafen legen die ausgewachseneren Kutter an.
Entsprechend gibt es auch eine Reihe guter Lokale, wenn man auf frisches Meeresgetier aus ist – wie der genussfaktor berichtet. Für uns natürlich der Hauptgrund, hierher zurückzukehren…
Wie überall in der Lagune ist auch Marano direkt ans Wasser gebaut und vom Wasser durchzogen. Nur die neueren Stadtviertel dehnen sich landwärts aus, das alte Siedlungsgebiet, einstmals von Festungsmauern umgeben, ist eng verwoben mit der Lagune.
Die Maraner sprechen heute noch einen venezianischen Dialekt, obwohl der Ort im Friaul liegt. Das unterscheidet die Lagunenmenschen von den nahebei wohnenden Landmenschen. Und sie sind davon so sehr überzeugt, dass eines ihrer Sprichwörter besagt:
Gäbe es Venedig nicht, wäre Marano Venedig.
Man mag das angesichts der Winzigkeit von Marano für puren Größenwahn halten. Aber es bleibt im Rahmen des Sympathischen.
Besuchenswert sind immerhin die Naturparks Valle Canal Novo, der direkt im Ort beginnt, sowie Foci dello Stella, das etwas weiter draußen in der Lagune liegende Delta des Flüßchens Stella, das aber von hier aus zu besuchen ist. Wer kein ausgewachsener Naturfreak ist, findet mit dem bequem zu spazierenden Park Valle Canal Novo durchaus das Auslangen:
Neben einer gut geschützten Tierwelt kann man sich auch ein paar Rekonstruktionen bronzezeitlicher Besiedelung und Bewirtschaftung des Lagunenraums ansehen. Die Betextung zur Orientierung der Besucher ist allerdings auf das Allernotwendigste beschränkt. Man lernt nicht viel hier. Zum mindesten aber gibt es was zu schauen, und man kann sich zwischen Frühstück und Mittagessen etwas die Beine vertreten.
Ein Gedanke zu “Marano Lagunare”