Ach ja: Hallstatt

Das Welterbe-Dorf am See ist ja ziemlich ins Gerede gekommen, seit sich hier bevorzugt die Chinesen durch die Gassen schieben. Aber weil damit grad Pause ist in Zeiten von Corona, haben wir uns entschlossen, einen kleinen Abstecher hierher zu machen und zwei Freunden von uns was zu zeigen, was wir selber tief in der Kindheit vergraben suchen müssen. Falls es noch da ist…

Spoiler: natürlich nicht.

Als gebürtiger Oberösterreicher ist der genussfaktor natürlich im zarten Alter von was-weiß-ich schon dagewesen. Blöderweise kann ich in mir so gut wie keine Erinnerungen daran auffinden. Die Frau genussfaktor dagegen ist ja sozusagen die besten Jahre ihrer Kindheit hier sommerfrischen und wintersporteln gewesen. Da war das alles natürlich noch kein Disneyland für Chinesen.

Aber der Reihe nach: man fährt am besten nicht mit dem Auto her, sondern lässt es in Steeg oder Obertraun stehen und nimmt zuerst den Zug bis zur Haltestelle Hallstatt, damit man dann stilgerecht übern See schippern kann. So kommt man an, wie man früher angekommen ist – und hat zudem den grandiosen Blick auf das an den Abhang gedrückte Dorf, ehe man mitten drin steht. Plus: man darf sich mal wie ein Kreuzfahrttourist fühlen, ausgespieen zum Landgang, ohne deswegen gleich in einem schwimmenden Gemeindebau wohnen zu müssen.

Das Böse ist: Hallstatt sieht von überm See wirklich nett und harmlos aus, wie es sich da pittoresk an den steilen Abhang schmiegt, mit zwei Kirchen und scheinbar übereinander gebauten Häusern.

So hat man auch ein Weilchen Zeit, sich die historischen Dimensionen zu vergegenwärtigen: hier reicht Geschichte bis ins Neolithikum zurück. Nach einem Gräberfeld, das oberhalb des Ortes ausgegraben wurde, ist eine Epoche der europäischen Frühgeschichte als Hallstatt-Zeit benannt. Natürlich ging es hier immer schon um nichts anders als Salz.

Und das hat früher schon die Herren reich gemacht und die Bergleute leben lassen. Von alldem ist heute nicht mehr viel übrig. So ziemlich alles, was in dem Ort von grade mal 740 Einwohnern als umbauter Raum bezeichnet werden kann, ist touristisch genutzt, und längst nicht mehr von den Hallstättern selbst. Es ist ein vergleichbares Drama wie in Venedig. Jedoch gibt es hier mangels Größe keine Ecke abseits vom Trampelpfad, in der man normales Leben finden könnte. Hallstatt ist durch und durch ein alpenländisches Disneyland, und dem Vernehmen nach sind es insbesondere die Chinesen, deren massenweise Zuneigung das Dorf genießt. In Zeiten von Corona sind sie aber verhindert, dafür hat der schöne Juli-Samstag grad gefühlt Busladungen von Türken hierher geführt.

Beim Spazieren durchs Dorf kann man allerorts erahnen, wie wenig man hier sein möchte, wenn hier das los ist, was normalerweise los wäre.

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Fazit: das Ganze ist eine Ecke der Welt, wunderbar gelegen, aber nicht für Menschen mit Sinn für das Schöne. Hallstatt ist tot-geramscht. Cool ist lediglich, wie sich der Geschäftssinn der Europäer dagegen zur Wehr zu setzen weiß: erstens verkauft man den Chinesen hier billige Souveniers Made in China für teures Geld zurück, und zweitens…

frische gute Hallstsatt-Luft für schlappe 10 Euro

Wollte man sich hier stärken oder erfrischen, sollte man nicht die Luft aus dem Automaten nehmen. Besser eignet sich das Lobisser’s Brauhof direkt am See – so man einen Platz kriegt.

Hallstatt: Brauhaus Lobisser – der Gastgarten am See

Der Andrang ist groß, die Wirtshauskultur verhält sich dazu jedoch umgekehrt proportional. Angeblich gibt es derzeit aber sowieso ganz anderes auf der Karte als sonst, weil wieder fast nur Einheimische kommen, die diese einmalige Change auf ein Wenig weniger Andrang nutzen möchten, auch mal ihr Weltkultur-Erbe zu besichtigen. Sei’s drum!

Also schippern wir alsbald wieder von dannen…

… um noch einen letzten Blick zurück zu werfen

Aus der Distanz ist es ja wirklich schön, so in der Abendsonne.

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